Gesellschaftsrecht

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Benötigt ein minderjähriger Gesellschafter einen Kollisionskurator, wenn die obsorgeberechtigte Mutter ebenfalls Gesellschafterin ist?

Im zu beurteilenden Sachverhalt sind die beiden minderjährigen Kinder nach dem Ableben des Vaters sehr vermögend. Sie sind jeweils – wie auch ihre Mutter und zwei bereits erwachsene Halbgeschwister – zu 20 % Gesellschafter einer GmbH. Darüber hinaus besitzen sie Goldbarren und Bargeld. Der Geschäftsanteil der Minderjährigen hat jeweils einen Wert von vielen Millionen Euro. Die Obsorge kommt der Mutter zu. Für die Verwaltung und Veranlagung der Geschäftsanteile an der GmbH und der Goldbarren wurde durch gerichtlichen Beschluss für jeden der beiden Minderjährigen bis zur Volljährigkeit ein Rechtsanwalt zum Kollisionskurator bestellt. Die Mutter stellte den Antrag auf Beendigung der Kuratel. Im Verfahren war strittig, ob die bloße Gefahr einer Interessenkollision ausreiche, um eine Kollisionskurator zu bestellen.

In seiner Entscheidung ging der OGH umfassend auf die unterschiedlichen Literaturmeinungen ein. Nach Ansicht des OGH reicht „eine denkbare, aber noch in keiner Weise konkret indizierte Möglichkeit, dass es später zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, nicht hin, um allein aufgrund der gemeinsamen Gesellschafterstellung von Obsorgeberechtigtem und Kind und damit gleichsam prophylaktisch die Bestellung eines Kurators rechtfertigen zu können.“ Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Obsorge entsprechend dem Interesse des Kindes ausgeübt werde. Sollte einem Obsorgeberechtigten die Fähigkeiten fehlen, das große Vermögen seines Kindes zu verwalten und daraus eine Gefährdung von dessen materiellem Wohl resultieren, so wäre als ultima ratio mit teilweiser Entziehung der Obsorge vorzugehen, wenn andere pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen (zB Berichtspflichten vor Beschlussfassungen oder ad hoc Kuratorbestellung) nicht ausreichen. Es sei das gelindeste zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks geeignete Mittel auf dem Bereich der Vermögensverwaltung anzuwenden.

Die Beendigung der Kuratel war somit im vorliegenden Fall sachgerecht. Aus Sicht der Praxis ist zu beachten, dass für grundlegende Rechtsgeschäfte, wie zB Abschluss des Gesellschaftsvertrags mit dem Kind, Satzungsänderungen oder Abschluss einer Auseinandersetzungsvereinbarung etc, wenn der Obsorgeberechtigte ebenfalls Gesellschafter ist, eine Vertretung des Kindes durch einen Kurator erforderlich ist. Davon zu trennen ist die (komplexe) Frage, ob die (Nicht)Ausübung des Stimmrechts durch den Vertreter des Kindes einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung nach § 167 Abs 3 ABGB bedarf.

Dr. Gabriele Meusburger-Hammerer, Stand 16.5.2022